Wer hat Angst vor Virginia Woolf?
von Edward Albee
Landestheater Tübingen. Premiere 18.11.2011
Inszenierung Jenke Nordalm
Bühne und Kostüm Jelena Nagorni
Mit: Uta Krause, Julienne Pfeil, Udo Rau, Martin Schultz-Coulon
Trailer
Pressestimmen
Regisseurin Jenke Nordalm schafft es mit ihrem messerscharf agierenden Ensemble, das Ganz in der Schwebe und bis zum Schluss spannend zu halten, auch wenn der Rosen-Wettkampf über gefühlte 117 Runden geht...Das Bühnenbild (Jelena Nagorni) positioniert den streitsüchtigen Vierer auf ein bürgerliches Soap-Sofa, das auf gammeligem Palettenuntergrund steht, drum herum Müll, der selbstverständlich unter den Teppich gekehrt wird, in einem klinisch weißen Raum aus eisigen Platten. Aber das außen hui, innen pfui-Prinzip wird dadurch aufgelöst, dass bei dieser Ehe auch nach außen alles pfui ist. Dachs, Fuchs und Wildsau in ausgestopfter Form umranden das Schlachtfest...fliegende Flaschen, Provokationen, Lästerorgien, brillant, haarscharf und gleichzeitig doppelbödig gespielt. Udo Rau gewohnt wandlungsfähig als der zynische, intelligente und überlegene George, ein knallharter Spieler und verbaler Metzgermeister, der sich gekonnt durchtrieben am karrieregeilen Nachwuchs rächt. Bei dem man aber trotz diverser Ausraster, Beleidigt-sein-Phasen und Elternkillergeschichten nie sicher sein kann, woran man gerade ist. Uta Krause gibt Martha...leicht überdreht, zwanghaft garstig, emotional sprunghaft, geistreich frivol und von Papi ferngesteuert. Miteinander spielt man das dubiose, geheimnisvolle Duo Infernale.
Südwestpresse 21. November 11
Dass Jenke Nordalms Inszenierung, die am Freitag im LTT herauskam, mehr als nur sehenswert ist, liegt zum einen an dem psychologischen Gespür, das die Regisseurin für die vier Personen entwickelt. Es sind die stellvertretenden Scharmützel, die von den seelischen Nöten und Verletzungen auch der Austeilenden einiges preisgeben. Bis es zu einem symbolischen Täter-Opfer-Ausgleich kommt. Die Tübinger Inszenierung verzahnt geschickt alle quer- und kreuzweis erlittenen Lebenslügen...Am meisten aber lügt sich Martha in die Tasche. Und da ist es schon grandios, wie Uta Krause das spielt...Marthas schnapsgedrosselter Schwebezustand, der sich in albernen Handkantenschlägen gegen wehrlose Sitzkissen entlädt, kann unversehens in heftige streitlüsterne Attacken umschlagen. Da wirkt die Schauspielerin wie Dittsche auf Speed, lächerlich wippend, humorig herumirrend. Dahinter steckt jedoch eine riesige Portion Verzweiflung, und eine Person, die sich misshandelt genug fühlt, um sich in eine fatal-familiäre Lebenslüge zu flüchten...Was bleibt, ist außerdem das traumverlorene Solotänzchen, das sich Julienne Pfeil als die "Süße" zu einem melancholischen Song der Gruppe Russian Red leistet. Auch dabei geht's um vernichtete Illusionen, und der Regisseurin Nordalm fällt umgehend ein starkes Bild dazu ein, wenn sie die Schauspielerin wie auf zu dünnem Eis einbrechen, im Boden verschwinden lässt. Da hängt sie nun, eingezwängt und durchnässt, ohne jeden Halt unter den Füssen.
Schwäbisches Tagblatt 21. November 11
Mit dem Klassiker "Wer hat Angst vor Virginia Woolf" von Edward Albee ist dem LTT ein Volltreffer gelungen. Die Inszenierung von Regisseurin Jenke Nordalm, die am Freitagabend im großen Saal Premiere feierte, ist mitreißend, fesselnd, nervenaufreibend, authentisch. Und erstklassig besetzt...Als Ensemble harmonieren die vier hervorragend. Es gibt keinen Leerlauf; obwohl die Inszenierung fast drei Stunden dauert, wirkt die Eheschlacht nie langweilig. Die Schauspieler halten bis zur letzten Sekunde die Spannung aufrecht, mit aufwühlenden Bildern.
Reutlinger Generalanzeiger 21. November 11