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Jenke Nordalm
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Dumme Jahre

von Thomas Freyer

Stadttheater Gießen. Premiere 12.12.2025

Inszenierung: Jenke Nordalm

Bühne und Kostüm: Hannah Landes

Sound und Musik: Ulf Steinhauer 

Licht:Jan Moritz-Bregenzer

Mit: Stina Jähngen, Roman Kurtz, Anne-Elise Minetti, Joey Nashaa Scholl, Carolin Weber

Pressestimmen 

Am Stadttheater hatte am Freitag "Dummer Jahre" von Thomas Freyer Premiere. Regie führt Jenke Nordalm und macht aus dem hochkomplexen Text mit vielen Zeitsprüngen eine vergnügliche Lehrstunde über ostdeutsche Geschichte. Aber nicht nur. Nein, Regine hat in ihrem Leben nicht immer ihr Bestes gegeben. Sie hat sich in der DDR an die Ideologie des Arbeiter- und Bauernstaates angepasst, hat versucht, nicht anzuecken und ihre Kindheitstraumata einer lieblosen Erziehung an ihre Kinder weitergegeben. Nun, als ihr Mann Wolfgang langsam in die Demenz abgleitet, versucht Regine sich an ihr gemeinsames Leben zu erinnern. Die Positionierung des Kammerspiels auf der großen Bühne, noch dazu als erste Inszenierung an einem westdeutschen Theater - allein das ist schon als Statement zu verstehen. Und weil mit Jenke Nordalm ein Frau Regie führt, die an gleicher Stelle bereits mit "Der Staat gegen Fritz Bauer" oder Kästners "Fabian" gezeigt hat, dass sie zeitgeschichtliche Stoffe mit Elan und ohne jeden Belehrungs-Impetus umsetzen kann, gelingt der Coup in großen Teilen hervorragend. Regine nimmt das Publikum mit auf ihre ganz persönliche, 60 Jahre überdauernde Reise. Vor dem Hintergrund der DDR-Jahre, des massiven Umbruchs durch den Mauerfall und die Herausforderungen der Nachwendezeit geht es dabei auch um das Private im Politischen. Das alles wird nicht chronologisch erzählt. Die Zuschauer müssen schon gut aufpassen und den zuweilen fast schon poetischen Textflächen aufmerksam zuhören, um zu verstehen, in welcher Epoche man sich gerade befindet. Die Kostüme mit klaren Epochen-Chiffren von Hannah Landes und die immer wieder mit Wasser auf zwei vom Bühnenhimmel herabhängende Plattenbauelemente gemalte Jahreszahlen geben aber eine gute Orientierung. Die Musik von Ulf Steinhauer, der tief in der Kiste der DDR-Kampflieder gewühlt hat, aber auch nicht mit Rockmusik-Einlagen aus Ost und West geizt, schafft Atmosphäre. Die durchweg gute Leistung der Schauspieler - Weber, Kurtz und Minetti zuzuschauen ist ein Genuss, die Nachwuchsschauspieler Stina Jähngen und Joey Naschaa Scholl meistern ihre vielen Rollen- und Kostümwechsel souverän - wird mit johlendem Beifall belohnt. Und auch die Regie kann mit der Resonanz zufrieden sein: Jenke Nordalm und ihrem Team ist es gelungen, die DDR-Geschichte anhand einer Famliengeschichte so eindrücklich wie unterhaltsam zu erzählen.

Gießener Allgemeine, 15. Dezember 25

 

Vor 26 Jahren brach die DDR zusammen. Dass dieses Kapitel deutscher Vergangenheit damit aber längst nicht tot ist, und vielleicht nicht einmal vergangen, das beweisen die vielen Debatten, die bis heute um eine spezielle ostdeutsche Identität kreisen. Was also ist übrig geblieben vom real existierenden Sozialismus, wie hat das Leben in dieser Diktatur die Menschen dauerhaft geprägt? In rund zweieinhalb Stunden Spielzeit zeigt das vorzüglich spielende Ensemble, wie Staat und Politik den privaten Raum durchdringen. Zugleich steckt in diesem Stück eine Familiengeschichte, die weit über das Leben in der DDR hinausweist. Regisseurin Jenke Nordalm erzählt davon aber nicht chronologisch, sondern springt ständig zwischen den Jahren und Erzählebenen hin und her. Und genau das macht den besonderen Reiz dieser Inszenierung aus. Vor allem, weil Hauptfigur Regine, an deren Leben sich das Stück entlang bewegt, mit gleich drei Schauspielerinnen besetzt ist. Es gibt eine junge (Stina Jähngen), eine mittelalte (Anne-Elise Minetti) und eine von heute aus zurückblickende (Carolin Weber) Regine, die bisweilen auch gemeinsam auf der Bühne stehen, sich dann und wann gegenseitig zuschauen und in manchen Momenten auch als Chor gemeinsam sprechen. Was sich kompliziert anhören mag, sorgt tatsächlich für einen straff gezogenen Spannungsbogen. Die so entstehende Verdichtung der Handlung bringt dem Publikum diese Frau und ihr Leben ungemein nah. Dabei braucht Jenke Nordalm gar nicht viele inszenatorische Kniffe, um die einzelnen Zeitebenen voneinander abzugrenzen.So tippt die Regisseurin viele mit der DDR verbundenen Ereignisse und Entwicklungen an. Da ist zunächst die Hoffnung auf wirtschaftlichen Aufschwung, da sind Gängelung, Bespitzelung, wirtschaftlicher Niedergang. Und da ist immer wieder die Frage, wie kommod es sich in einem Land ohne Freiheit einrichten lässt. Doch das ist nur die halbe Geschichte. Denn es folgen Mauerfall, Wiedervereinigung, Arbeitslosigkeit, die Baseballschlägerjahre und ein neuer Anlauf. In der Familie wird dieser epochale Bruch gespiegelt. Wolfgang fasst wieder Mut und macht eine solide Karriere, Regines Lebensträume haben sich dagegen nicht erfüllt. Für das westdeutsche, das Gießener Publikum bietet dieses Schauspiel eine anschauliche Gelegenheit, von den radikalen Brüchen zu erfahren, die Ostdeutsche nach dem Ende der DDR durchleben mussten - und die nun vielleicht auf andere Weise erneut dem ganzen Land bevorstehen. Doch noch viel mehr erzählt es von einem gemeinsamen Leben, das mit der Demenz von Wolfgang sein Ende findet. "wir haben noch soviel vor uns", ruft er im Jahr 2014 aus - und sein Publikum weiß längst, dass sich auch seine letzten Träume nicht mehr erfüllen werden. All das resümiert schließlich die dreifache Regine, die sich vermittels des Darstellerinnen-Trios Rechenschaft über den eigenen Werdegang ablegt und fragt, "ob wir wirklich das Beste aus allem gemacht haben". Es ist eine Frage, die sich nicht nur Ostdeutsche stehen müssen. 

Gießener Anzeiger, 15. Dezember 25