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Jenke Nordalm
Johannesstr.20
70176 Stuttgart

Das goldene Vlies

von Franz Grillparzer und Kai Schubert

Wuppertaler Bühnen. Premiere 05.02.2011.

Inszenierung Jenke Nordalm

Bühne und Kostüm Birgit Stoessel

Mit: Gökhan Duruduygu, Seval Güngör, Veysel Karadon, Nilüfer Karadon-Özkandemir, Efekan Kizilkaya, Gül Koral, Holger Kraft, Maresa Lühle, Yalcin Mehni, Martin Molitor, Esra Özcan, Juliane Pempelfort, Yilmaz Seyfi, Gülcin Tuncer, Ali Ünal, Marco Wohlwend, Timur Yuval Reinhardt

 

Trailer 

  

Pressestimmen

Manche Theaterprojekte mit Migranten gehen nicht in die Tiefe. Die Sehnsucht der Beteiligten nach einem friedlichen Zusammenleben ist so groß, dass auf der Bühne Harmonie behauptet wird. In diese Falle gehen die Wuppertaler nicht. Regisseurin Jenke Nordalm findet es gut, dass auf den Proben nicht alles glattging: "Wir machen ja keine Komödie. 'Das goldene Vlies' ist die Geschichte eines Scheiterns. Es gelingt nicht, dass die beiden Gruppen sich annähern. Wir sind uns einig, was wir erzählen wollen. Aber der Weg dahin führt über Konfrontation." Kreon, der König Korinths, betritt die Bühne. Er trägt ein T-Shirt unter dem Jackett, einer moderner Politiker. So scheint es. Dann steigert sich der Schauspieler Martin Molitor in eine Wutrede hinein, die von Thilo Sarrazin stammen könnte ... Die türkischen Schauspieler verlassen die Bühne ... Kreon bleibt allein zurück. Fast allein. Medea liegt an der Seite auf dem Boden, gedemütigt, verlassen. Und man versteht, warum Ali Ünal und Nilüfer Karadon-Özkandemir die Forderung, sie sollen sich mehr integrieren, nicht mehr hören können. 

Welt am Sonntag 6. Februar 11

 

Autor Kai Schubert hat Grillparzers Trilogie als Zweiteiler "Kolchis" und "Medea" für das Wuppertaler Schauspiel neu verfasst. Vom Netz aus Handelskontakten ist da die Rede, und vom Volk mit dem Heldenkomplex. Die Kolcher fürchten die Globalisierung, Medea prostituiert sich für die Freiheit. Grillparzers psychologisierte Tragödie der Argonauten-Sage wird zum Integrationsdrama, sein Humanitätsideal durch Kosten-Nutzen-Rechnung in Frage gestellt.  Authentizitätscharakter bekommt Jenke Nordalms Inszenierung durch die Zusammenarbeit mit der türkischen Theatergruppe Elele Tiyatrosu. Deren Schauspieler sprechen mal türkisch, mal deutsch (die Verse gibt es in der jeweils anderen Sprache als Übertitel) und - klugerweise - meistens im Chor. Sie sind die weißgewandeten gut gelaunten Kolcher ... später sind sie mit der Königstochter Medea nach Griechenland Ausgewanderte... Vor allem aber sind sie Angeklagte und stumme Ankläger einer Sarrazin-gemäßen Ansprache des Kreon. Martin Molitor gibt überzeugend blasiert den vermeintlich diplomatischen Geschäftsmann unter den Fremdenfeinden ... Über Gastrecht und Fremdsein muss heute gesprochen werden, und man kann es mit Grillparzer (und Schubert) - und auch in Türkisch. Auf Birgit Stoessels Bühne bewegen sich die Darsteller auf einer halbrunden Kugel. Die bietet so wenig Standfestigkeit wie eine unbekannte Welt. Kein Halt. Nirgends.

Nachtkritik 5. Februar 11

 

Manche Fragen drängten sich schon vor der Premiere auf. Werden die Zuschauer der ohnehin komplexen Handlung folgen können, wenn sie auch noch zweisprachig erzählt wird? Ist es eine gute Idee, Profis und Laien gemeinsam ins Rampenlicht zu stellen? Kann am Ende überhaupt eine homogene Inszenierung entstehen? Die Antwort ist ein dreifaches "Ja" ... Unter dem Strich überzeugt die Umsetzung genauso wie die Idee: Um durchzuspielen, was passieren kann, wenn fremde Kulturen aufeinanderprallen, wagt Jenke Nordalm ein Experiment...Deutsche Theatermacher haben die Migration als gesellschaftspolitisches Thema erkannt. Dabei gehen sie längst mehr Wege als nur den Pfad des puren Dokumentartheaters. Doch was gut gemeint ist, ist nicht immer auch gut gemacht. Umso erfreulicher ist es, dass sich der Weg in Barmen gelohnt hat ... Nach dem 'Eleni'-Stück der vergangenen Saison geht man nun einen Schritt weiter und zeigt im wahrsten Wortsinn, was Integration bedeuten kann. Profis und Amateure, Deutsche und Türken teilen sich das Rampenlicht.

Westdeutsche Zeitung 7. Februar 11

 

Gesprochen wird Deutsch und Türkisch, die jeweils übersetzten Passagen gibt es per Einblendung oberhalb der Bühne. Man könnte befürchten, das lenke ab und und sei störend: Ist es nicht, im Gegenteil. Die Inszenierung von Jenke Nordalm bezieht hochinteressante Impulse aus der Unterschiedlichkeit der schauspielerischen Präsenzen - und es klafft kein Abgrund zwischen Profis und Laien ... In der unvereinbaren Fremdheit der Kulturen der Kolcher und Griechen sah schon Grillparzer die Wurzel allen Übels in Sachen Medea. Und der neu formatierte Text von Kai Schubert konzentriert sich noch stärker auf dieses Thema, das man heute Integrations- und Migrationsdebatte nennt. wie unter dem Brennglas deutlich wird das, wenn Martin Molitor als Korinther-König Kreon in einem nicht endenwollenden Mega-Monolog das komplette Repertoire der Das-Boot-ist-voll-Rhetorik abspult, das uns Sarrazin und Co. schon bis zum Erbrechen vorgekaut haben. Unerträglich oder doch nur Kabarett? man ist hin- und hergerissen - und klatscht gerne Szenenapplaus, wenn die türkischen Schauspieler wie ein antiker Chor mit ihren Stimmen aus dem Off die jeweils eigenen Integrationserfahrungen gegen diesen unsäglichen Kreon setzen.

 Wuppertaler Rundschau 9. Februar 11