Mind the GAP
von Jenke Nordalm und Julie Paucker
Eine Produktion der KULA Compagnie in Koproduktion mit dem schauspiel erlangen und dem Kulturhaus Helferei, Zürich
von und mit: Edris Fakhri, Nadia Migdal, Hajnalka Péter, Romaric Séguin
Künstlerische Leitung: Jenke Nordalm und Julie Paucker
Künstlerische Produktionsleitung: Eric Nikodym
Bühne und Kostüm: Markus Karner
Textfassung: Julie Paucker
Musik: Hajnalka Péter
Sound: Jenke Nordalm
Movement: Slava Kushkov
Pressestimmen
Europa, wohin willst du gehen? Das Zusammenleben ist eine der schwersten Sachen überhaupt. Was im privaten Rahmen häufig schon nicht klappt, wird im größeren Umfeld erst recht nicht leichter. Wenn es schon Vorgaben und Richtlinien für Familien und Gruppen gibt (oder vielleicht sogar geben muss), um wieviel mehr gilt dies für einen ganzen Verbund von Staaten. Europa beispielsweise hat Abermillionen Einwohner, deren Biografien, Lebenswelten, Politikverständnis und Religionen bekanntlich sehr unterschiedlich sind. Das Stück "Mind the GAP", das jetzt am Saisonbeginn im Theater in der Garage Premiere hatte, zeigt die Schwierigkeiten auf, die entstehen, wenn ein solches Konstrukt halbwegs auf einen nicht allzu wackligen Nenner gebracht werden soll. Die Koproduktion der KULA Compagnie mit dem Schauspiel Erlangen und dem Kulturhaus Helferei, Zürich lässt vier internationale Personen, allesamt Muttersprachler, eine Art "Bürgerrat" bilden, der sich - basisdemokratisch! - auf zehn Punkte einigen soll, die den Kern des neuen Einbürgerungsgesetzes für Europa ausmachen soll...Dankenswerterweise lassen die künstlerischen Leiterinnen Jenke Nordalm und Julie Pauker das echte (Alltags-)Leben in ihre Kopfgeburt einfahren, präsentieren Menschen im Moment des Für und Wider, von Nähe und Distanz, von Verständnis und Ablehnung. Die leicht verhuschte Miriam aus Deutschland, die resolute Gyöngyver aus Ungarn, der geschmeidige Anatole aus Frankreich und der ruhige Qudus aus Afghanistan treffen sich. Was jetzt passiert, folgt den Gesetzen der Gruppendynamik: Man beschnuppert sich, lernt sich kennen, tastet sich meinungsmäßig ab. Man setzt sich selbständig Themen und spricht respektive streitet diese durch. Religion darf natürlich nicht fehlen, aber man will sich auch über Kindheit und Herkunft genauer definieren. Ja, man spielt - Situationen und kleine Szenen - und spricht über Unfreiheit und Krieg. Das klaustrophobische Zurückgeworfensein auf die Gruppe lässt die Emotionen heiß laufen, Differenzen, den unterschiedlichen Wahrnehmungen geschuldet, brechen sich immer wieder Bahn...Aus kleinen Mosaiksteinen entwickeln sich anschaulich zumindest rudimentäre Biografien. Das Sprachenwirrwar - die Akteure haben an der Entwicklung ihrer Texte mitgearbeitet - ist enorm, die Muttersprachen wechseln sich in permanentem Wechsel mit Englisch so sehr ab, dass auf Deutsch und Englisch eingeblendete Übertitel mehr als Sinn machen. Das Ringen um eine schlussendlich gemeinsame Erklärung ist, runtergebrochen auf die Verfasstheit einzelner Individuen, lebendig gestaltet.
Erlanger Nachrichten, 15. Oktober 24